Wer ganz oben auf der Plattform im 23. Stock steht, kann sehen, was Kiel zu bieten hat: Hohe Häuser, das Rathaus, den Werftkran, die Förde – und ganz viel Grün. Die Aussicht vom Weißen Riesen in Mettenhof ist atemberaubend schön. Das Bild, das manche Menschen von diesem Stadtteil und seinem Wahrzeichen haben, ist hingegen ganz anders. Schmutzig, prekär, gefährlich: Diese Meinung haben viele Kieler, die einige Kilometer Luftlinie entfernt zuhause sind. Aber stimmt das wirklich? Und wie lebt es sich eigentlich im Weißen Riesen, dem Haus mit der wohl besten Aussicht?
Damals: Was hat man sich dabei gedacht?
„Mettenhof – die Stadt von morgen“ – so titelten die Zeitungen Mitte der 1960er Jahre. Politiker, Stadtplaner und Bürger setzten große Hoffnungen in den neu entstehenden Stadtteil. Denn die Not in der Landeshauptstadt war groß: 10.000 Wohnungen fehlten für die rasch wachsende Bevölkerung. In einem ersten Konzept sollte Mettenhof Platz für 40.000 Menschen bieten. Die Rahmenbedingungen klangen vielversprechend: Wohnungen in jeder Größe mit Zentralheizung, Balkon und eigenem Parkplatz vor der Tür – für gerade einmal 2,80 Mark pro Quadratmeter. Dazu eine gute Infrastruktur mit Schulen, Geschäften, Altenheimen und einem Krankenhaus. Und mittendrinn: Das höchste Wohngebäude Kiels, das schon bald Weißer Riese genannt werden würde. 700 Millionen Mark sollte die Errichtung dieser Trabantenstadt kosten – soweit die Planung.
In der Realität geriet das Projekt schnell an seine Grenzen: Aus 40.000 wurden 20.000 Bewohner, fehlende Jugendeinrichtungen sorgten für Frust und Kriminalität unter den Heranwachsenden. Und auch der Weiße Riese galt schon bald als Schandfleck und Symbol einer verfehlten Stadtplanung. Daran hat sich in vielen Köpfen bis heute nur wenig geändert.
Wir haben uns auf dem Kurt-Schumacher-Platz umgehört: Was sagen die Anwohner zum Weißen Riesen?
Und was denkt derjenige, der den Weißen Riesen Ende der fünfziger Jahre entworfen hat, über sein Werk?
Hans Konwiarz (geboren 1919) war nach dem Krieg als Architekt bei der gewerkschaftsnahen Hamburger Immobilienfirma „Neue Heimat“ angestellt. Im Fokus seiner Arbeit standen hochgeschossige Häuser mit günstigen Wohnungen, die mit Zentralheizung und Balkon bezahlbaren Komfort für Arbeiter bieten sollten. Konwiarz entwarf unter anderem die Wohnsiedlung „Bunte Kuh“ in Lübeck, eine Bebauung mit Sozialzentrum in Kiel-Pries und den Weißen Riesen in Mettenhof. Als sein ambitioniertestes Projekt gilt das „Alsterzentrum“ in der Hamburger Innenstadt: 200 Meter hohe Häuser mit Platz für 20.000 Menschen direkt neben dem Hauptbahnhof. Der Spiegel nannte es den „revolutionärsten Entwurf der nachkriegsdeutschen Architektur“ – trotzdem scheiterte das Projekt 1973. Grund: Fast der gesamte Stadtteil St. Georg hätte abgerissen und seine Bewohner zwangsumgesiedelt werden müssen. Wie kommt man auf so eine Idee? Konwiarz selbst ist heute 98 Jahre alt und gesundheitlich schwer angeschlagen. Sein Sohn Thomas Konwiarz, 61 Jahre alt und Bildhauer, erinnert sich daran, wie er die Arbeit seines Vaters erlebt hat – und was dieser noch heute darüber denkt.
„Mein Vater ist ein extrem ehrgeiziger Mensch. Das liegt auch an seiner Erfahrung als Flüchtling. Als er nach dem Krieg aus Breslau nach Hamburg kam, musste er doppelt so gut sein, wie andere Architekten. Bei den Einheimischen hatte er einen schweren Stand, es war eine harte Zeit für ihn. Trotzdem war er immer ein sehr lustiger Mensch. Er hat viel gelacht.
"Sein Vorbild waren die Hochhäuser amerikanischer Großstädte." Sohn Thomas Konwiarz
Auch herbe Niederlagen, wie zum Beispiel die Ablehnung des von ihm entworfenen Alsterzentrums, haben ihn nicht aus der Bahn geworfen. Die Leute sind einfach noch nicht reif dafür, hat er dann immer gesagt. Sein Vorbild waren die Hochhäuser amerikanischer Großstädte. Als ich ein Kind war, schwärmte er von den Rundhochhäusern in Chicago und von der Freiheit, die Architekten dort seiner Meinung nach hatten.
Das Haus, in dem mein Vater noch heute lebt und das er ebenfalls selbst entworfen hat, ist ein amerikanisch angehauchter Bungalow in Groß-Flottbek mit einem Swimmingpool in der Mitte. Davor haben wir immer in Hamburger Reihenhäusern gelebt, nie in Hochhäusern, wie mein Vater sie entworfen hat. Ihm war bewusst, dass diese Bauten als schneller, billiger Wohnraum gedacht waren. Sie haben ihn beruflich trotzdem fasziniert, jedes Werk war ihm gleich wichtig.
Historische Fotostrecke: Der Stadtteil Mettenhof entsteht
Wenn wir im Sommerurlaub an die Ostsee gefahren sind, hat mein Vater einen kleinen Umweg gemacht und uns die von ihm entworfenen Hochhäuser gezeigt. Über unserem Esstisch im Wohnzimmer hing auch jahrelang eine Fotografie seiner Bauten in Kiel. Ich konnte mit diesen hohen Häusern als Kind nicht viel anfangen. Mich haben eher die Modelle interessiert, mit ihren Bäumen und Autos. Wenn man mich fragt, was man heute mit seinen riesigen Häusern anstellen sollte, dann würde ich mir auf jeden Fall wünschen, dass sie erhalten bleiben. Man sollte sie genau begutachten, sich um die Menschen darin besser kümmern, für eine Ausgewogenheit unter den Bewohnern sorgen, kulturelle Angebote schaffen. Selbst einziehen würde ich heute aber immer noch nicht – ich lebe auf einem 20.000 Quadratmeter großen Moorgrundstück, über eine Stunde von Hamburg entfernt. So viele Menschen, das wäre nichts für mich.“
Der Verschönerer: Matthias May und der Weiße Riese
24 Stockwerke, dutzende Eimer Farbe und ein Jahr Zeit: Matthias May hat eine besondere Beziehung zum Weißen Riesen. Im Jahr 2002 erhielt der gelernte Maler und Lackierer den Auftrag, das Treppenhaus des Hochhauses zu streichen. Allein. Sein Ziel: Das bereits 1992 aufwändig von außen sanierte Haus sollte auch von innen vorzeigbarer werden. May benutzte eine spezielle Latexfarbe, von der sich Kritzeleien bis heute leicht abwischen lassen.
Seit dieser ersten Begegnung hat ihn der Weiße Riese nicht mehr losgelassen. Als Hausmeister kümmerte er sich um die kleinen und größeren Probleme der Mieter. Im vergangenen Jahr stieg er zum Hausverwalter auf. Der Weiße Riese wurde zu einer Art Lebensprojekt. Damit es dem Haus und seinen Bewohnern auch weiterhin gutgeht, kümmert er sich um eine ausgewogene Mieterstruktur. „Auf jede frei werdende Wohnung kommen rund zwölf Interessenten“, sagt er. Sein Arbeitgeber, die Grandcity Property aus Berlin, kann sich ihre Mieter heute aussuchen. May will dafür sorgen, dass der Mix stimmt. Studenten und Senioren haben die besten Chancen auf eine Wohnung im Weißen Riesen, denn: „Davon haben wir noch nicht so viele, wie wir uns das wünschen.“
Heute: So wohnt es sich hier
Philipp, 25
Das Beste an seiner Wohnung ist der Balkon, sagt Philipp. Ein schmales Rechteck, vielleicht einen Quadratmeter groß. Umrandet von einer mit Moos überzogenen, hüfthohen Mauer und mit einem weiten Blick. Wenn Philipp dort steht, kann er auf die anderen Hochhäuser schauen, auf die großen, grauen Parkflächen und die Bäume im Holzhof. Menschen, Häuser, Autos: Das alles sieht von hier oben ganz schön klein aus.
Philipp kennt seinen Stadtteil gut. Er ist in Mettenhof bei seiner Mutter und der Oma aufgewachsen, ein paar Straßen weiter. Damals hatte der Weiße Riese keinen guten Ruf, war geprägt von Leerstand und Kriminalität. Viele Bewohner hatten Drogenprobleme. „Meine Mutter wollte nicht, dass ich da reingehe“, sagt Philipp. Seit gut einem Jahr wohnt er nun hier, in einer der mittleren Etagen. 38 Quadratmeter, bezahlt vom Jobcenter. „Mit der Arbeit, das klappt grad nicht so gut“, sagt Philipp.
Der 25-Jährige hat sich in seinem neuen Zuhause eingerichtet, so gut es eben geht. Dunkles Sofa, Flachbild-Fernseher, Bett, Holztisch, vier Stühle und eine provisorische Küche, die er eh kaum benutzt. „Zum Mittagessen und Wäschewaschen gehe ich zu meiner Oma“. Die Wohnung sei ihm unrenoviert übergeben worden, dafür gab es von der Immobilienfirma einen Gutschein für den Baumarkt. Von dem Geld wollte sich Philipp Jalousien kaufen und das abgenutzte PVC durch Laminat ersetzen. Eigentlich. So richtig weit gekommen ist er bisher nicht. „Ich habe kein Auto und es gibt keinen, der mich fährt.“
Trotzdem fühlt sich Philipp wohl, sagt er. Jetzt kann er seine Freunde von früher besuchen, die immer noch im Weißen Riesen wohnen. Es sei auch gar nicht so schlimm wie damals, sondern „ganz normal.“ Nur einmal habe er beobachtet, wie Menschen ihre Möbel aus einem der oberen Stockwerke auf die Straße geschmissen hätten. „Sonst ist es hier aber wirklich ganz ruhig.“ Was ihm außerdem gut gefällt: Die Wohnung hat eine Badewanne. Da legt er sich oft rein, wenn ein Rheumaschub kommt. Das warme Wasser hilft gegen die Schmerzen.
Bis er eine eigene Familie gründet, möchte Philipp im Weißen Riesen bleiben. Dann könnte es in der Wohnung doch ein wenig eng werden.
Luwam, 18
Auf der dunklen Kommode in Luwams Wohnung steht eine Gondel aus Plastik, angemalt in schwarz und gold. In roter Schrift steht in der Mitte „Venezia“, also Venedig. Ein typisches Souvenir aus Italien. Luwam hat es sich vor zweieinhalb Jahren gekauft, nachdem sie zwei Tage lang auf einem Schlepperboot das Mittelmeer überquerte. Dichtgedrängt, auf dem offenen Meer, in großer Angst. „Es war schrecklich“, sagt sie.
Eritrea, Sudan, Libyen, Italien, Molfsee, Altenholz, Mettenhof: Das sind die bisherigen Stationen in ihrem Leben. Seit einem Monat wohnt die 18-Jährige im Weißen Riesen. Von dort aus pendelt sie zu ihrem Job im Tierpark und danach zum Deutschkurs. Wenn sie nach Hause kommt, ist sie müde. Aus dem Haus kennt sie niemanden. Sie wisse zwar, dass auch einige Flüchtlinge im Weißen Riesen untergekommen sind, getroffen habe man sich aber noch nicht. Das Klischee der anonymen Hochhauswohnung – für Luwam trifft es zu.
Ihre kleine Ein-Zimmer-Wohnung hat sie trotzdem gemütlich eingerichtet. Auf der Kommode stehen Fotos ihrer Familie, sie hat Kerzen aufgestellt und Poster mit Jesusbildern an die Wand geklebt. Geholfen hat ihr dabei ein deutsches Ehepaar, das vor zwei Jahren den Vormund für sie übernommen hatte. Die Wohnung gefalle ihr gut, auch die Leute im Haus seien nett, sagt Luwam. Wer sich im Flur oder Aufzug trifft, grüße einander freundlich. Wenn man Luwam fragt, was sie ändern wollen würde, dann sagt sie: „Eine richtige Küche mit einer Tür zum Zumachen wäre gut“, sonst sei alles schön. Nur nachts habe sie Angst, allein auf die Straße zu gehen. Sie verlässt das Haus selten nach 21 Uhr. Manchmal kommt ihr Freund aus Braunschweig zu Besuch, dann sei das kein Problem.
Lange wird Luwam wahrscheinlich nicht im Weißen Riesen bleiben. Im kommenden Jahr beginnt sie eine Ausbildung im Einzelhandel rund 15 Kilometer außerhalb von Kiel. Dann würde sie gern dorthin ziehen, die Busverbindung in den Ort sei einfach zu schlecht.
Ausblick und Einblick: Der Weiße Riese im Video
Zukunft: Wie entwickeln sich Mettenhof und der Weiße Riese?
Claudia Fröhlich leitet seit 2003 das Stadtteilbüro Mettenhof. Sie kennt ihren Stadtteil rund um den Weißen Riesen und weiß, was sich seitdem verbessert hat und wo der Schuh noch immer drückt. Hier schildert sie ihre Sicht:
„Rund ums Jahr 2000 sah es für Mettenhof nicht gut aus. Der Stadtteil hatte ein schlechtes Image, hier lebten viele benachteiligte Menschen, es ging bergab. Deshalb hat die Stadt Kiel einen Antrag beim Land Schleswig-Holstein auf die Aufnahme Mettenhofs in das Städtebauförderungsprogramm „Soziale Stadt“ gestellt, dem auch stattgegeben wurde. Somit war Mettenhof ab 1999 ein ausgewiesenes „Soziale-Stadt“-Gebiet und dazu gehörte auch die Einrichtung eines Stadtteilmanagements. Seitdem hat sich in Mettenhof einiges getan. Es wurden rund acht Millionen Euro investiert, um den Stadtteil auf Vordermann bringen. Dazu gehören Projekte wie das Bürgerhaus, die Neugestaltung der Region um den Heidenberger Teich und diverse Schulhofumgestaltungen. 580.000 Euro wurden in soziale Projekte investiert. Dies und auch die privatwirtschaftliche Sanierung vieler Hochhäuser haben zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner geführt. Das hat dem Stadtteil neues Selbstbewusstsein gegeben. Rund um den weißen Riesen gibt es mittlerweile eine ausgezeichnete Versorgung mit Geschäften. Wer hier heute wohnt, macht es meistens gerne. Vier von fünf Mettenhofern, so ist meine Einschätzung, fühlen sich sehr wohl.
Noch immer leben hier Menschen aus verschiedenen Kulturen, aber sie begegnen sich mit viel Respekt und Toleranz. Mettenhof hat gelernt, aufeinander zuzugehen. Auch als in den vergangenen drei Jahren tausende Flüchtlinge nach Kiel kamen, war es kein großes Problem, diese Menschen in den Stadtteil zu integrieren. Die Leute hier packen gern mit an, machen konstruktive Vorschläge und helfen. Dass das so gut geklappt hat, liegt auch an den tollen Netzwerken, die es hier vor Ort gibt und in denen sich die Mettenhofer engagieren können.“
Allen Verbesserungen zum Trotz: Mettenhof hat noch immer ein Problem mit seiner Außenwirkung
„Wer als Jugendlicher die Postleitzahl 24109 in den Bewerbungsunterlagen notiert, hat schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt bei den Firmen große Vorurteile. Dass sich die meisten Mettenhofer mittlerweile in ihrem Stadtteil wohlfühlen, scheint im Rest von Kiel noch nicht angekommen zu sein. Wirklich schade! Auch der Weiße Riese wird außerhalb Mettenhofs oft negativ betrachtet. Dabei hängen die Leute sehr an diesem Haus. Es ist für sie das Wahrzeichen ihres Stadtteils.
"Einige Bereiche sind optisch ausbaufähig." Claudia Fröhlich, Stadtteilbüro Mettenhof
Natürlich gibt es vor Ort immer noch Probleme, das ist klar. Mettenhof ist der kinderreichste Stadtteil Kiels und viele Kinder leben in Familien, die nicht viel Geld haben. Hier besteht ein besonderer Hilfebedarf. Wenn man sich im Stadtteil bewegt, fällt außerdem auf, dass einige Bereiche – ich nenne es mal so – optisch ausbaufähig sind. Auch der Bereich um den Weißen Riesen könnte eine Belebung vertragen. Insgesamt mangelt es in Mettenhof an guter Gastronomie.
Die Bewohner haben aber auch eine eigene Verantwortung für ihren Stadtteil. Jeder kann dazu beitragen, dass Mettenhof noch besser wird. Im Alltag hängt diese Verantwortung leider oft an einzelnen Personen, die sich ganz toll einbringen. Nachwuchs zu finden, fällt den Initiativen vor Ort schwer. Die Leute haben einfach zu viel zu tun, unser aller Leben ist stressiger geworden. Das kann ich verstehen, schade ist es trotzdem.“
Dienststellenleiter Bernd Krüger und Polizist Matthias Schneider arbeiten auf der Mettenhofer Polizeistation. Wir haben nachgefragt: Lässt sich das schlechte Image mit Zahlen belegen?
Frage: Mettenhof gilt als eines der Sorgenkinder unter Kiels Stadtteilen. Wie erleben Sie die Gegend in Ihrer täglichen Arbeit?
„Mettenhof ist für uns ein recht unkomplizierter Stadtteil. Die Anzahl der hier jährlich gemeldeten Straftaten hat sich seit den neunziger Jahren halbiert. Im vergangenen Jahr waren es 1093. Zum Vergleich: In ganz Kiel wurden 2016 insgesamt knapp 26.000 Straftaten gemeldet. Wir Polizisten werden von den Leuten respektiert. Viele Jugendliche haben einen direkten Draht zu uns. Manche duzen uns sogar, nach dem Motto „Du, Herr Krüger…“. Für uns bedeutet das ein sehr angenehmes Arbeiten in diesem Stadtteil.
Das passt so gar nicht zu dem Image, das Mettenhof im restlichen Kiel hat. Wie erklären Sie sich das?
„Ganz klar: In den neunziger Jahren hatte Mettenhof massive Probleme. Da gab es viel Gewalt und Schlägereien. Besonders der Bereich rund um die Helsinkistraße wurde zum Brennpunkt. Als die Polizei das in den Griff bekommen hatte, tauchten dann rund ums Jahr 2003 überall im Stadtteil Graffitis auf. Aber auch die sind heute kein wirkliches Problem mehr. Um es klar zu sagen: Das schlechte Image von Mettenhof entspricht nicht mehr der heutigen Realität.“
Wie schaut es speziell mit dem Bereich um den Kurt-Schumacher-Platz aus, wo der Weiße Riese steht?
„Auch dieser Bereich war vor zwanzig Jahren ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Damals gab es auf dem Platz und im Weißen Riesen eine Szene aus Trinkern und Drogenkonsumenten, die die öffentliche Ruhe gestört haben. Die gibt es so heute nicht mehr. Der Weiße Riese ist für uns ein Haus wie jedes andere in Mettenhof.“
Wie kommt es zu dieser guten Entwicklung?
„Als Mettenhof gebaut wurde, hatte man die Bedürfnisse der Jugendlichen noch nicht im Blick. Erst als die Zahlen in der Kriminalitätsstatistik auffällig wurden, sind neue Freizeitanlagen entstanden. Dafür werden heute die Früchte geerntet. Wir als Polizei kümmern uns außerdem intensiv um die Jugendlichen, besuchen Veranstaltungen im Stadtteil und gehen in die Schulsprechstunde. Und den Eltern ist es heutzutage wichtiger, dass aus ihren Kindern etwas wird. Das hören wir sehr oft. Einige sind sogar strenger, als wir das aus polizeilicher Sicht sein würden.“
Der Weiße Riese: Eine Hassliebe?
Wenig Leerstand, zufriedene Mieter, gesunkene Kriminalität: Geht man nach den Fakten, ist der schlechte Ruf Mettenhofs und des Weißen Riesen nicht zu rechtfertigen. 300 Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen leben hier größtenteils friedlich zusammen. Trotzdem hält sich die schlechte öffentliche Meinung in der restlichen Landeshauptstadt hartnäckig. Vielleicht muss ein Wahrzeichen wie der Weiße Riese so etwas aushalten können: Dass er für manche eine städtebauliche Zumutung und zugleich ein sicherer Zufluchtsort für Menschen aus aller Welt ist. Kiels höchstes Wohnhaus polarisiert. Wegzudenken ist der Weiße Riese trotzdem nicht. 100 Höhenmeter Beton sind gekommen, um zu bleiben.
Ein Kommentar für “Ganz oben – ganz unten? Kiel-Mettenhof und der Weiße Riese”
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