Acht Millionen Einwegbecher und 5433 Tonnen Verpackungsmüll im Jahr – Plastikabfall ist auch in Kiel ein großes Problem. Der unbedachte Umgang vieler mit Plastik und die fehlende Regulierungen für die Industrie belasten die Umwelt stark. Was muss getan werden, um dieser Plastikflut Herr zu werden? Und warum wird überhaupt so viel Plastik verwendet?
Ein Problem in Zahlen
Haben Sie heute schon Plastikmüll produziert? Haben Sie sich beim Frühstück Käse oder Aufschnitt aus der Plastikpackung aufs Brötchen gelegt? Sich einen Coffee-to-go geholt oder in der Mittagspause einen Müsliriegel aus der Plastikfolie ausgepackt? Wahrscheinlich schon, denn Plastik ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Einer Studie des Fraunhofer Instituts zufolge werden in Deutschland pro Jahr 14,5 Millionen Tonnen Kunststoff verwendet. Das entspricht einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 176 Kilogramm.
Dementsprechend viel Plastikmüll fällt jedes Jahr an: Laut Umweltbundesamt waren es 2017 knapp 6,15 Millionen. Alleine in Kiel landeten 2017 5433 Tonnen Verpackungsmüll, der zu einem Großteil aus Plastik besteht, im Gelben Sack. Das entspricht 21,9 Kilogramm pro Einwohner. Dabei handelt es sich lediglich um Haushaltsmüll. Kunststoffabfall aus der Industrie etwa ist in diese Zahl noch nicht mit eingerechnet.
Wie sorglos Einwegprodukte aus Kunststoff konsumiert und verkauft werden, zeigt eine Pressemitteilung der Rewe Group. Seit Februar 2019 hat die Unternehmensgruppe, zu der Supermärkte wie Rewe, Sky und Penny gehören, Plastikstrohhalme aus dem Sortiment genommen. Bisher gingen jährlich 40 Millionen dieser Trinkhalme über den Ladentisch – alleine bei den Geschäften der Rewe Gruppe.
Bis 2020 soll auch Plastikbesteck und -geschirr folgen. Die bisherigen Verkaufszahlen: 146 Millionen Becher, Teller, Schalen, Messer, Gabeln und Löffel pro Jahr, die meist nach wenigen Minuten in den nächsten Mülleimer entsorgt werden. Ein Jahr später, 2021, werden viele Einwegprodukte aus Plastik dann auch europaweit verboten. Darauf einigte sich das Europäische Parlament am 27. März 2019. Strohhalme, Plastikbesteck und – geschirr dürfen dann nicht mehr verkauft werden.
Ein großer Teil des verwendeten Plastiks findet aber gar nicht erst den Weg in den Gelben Sack. Durch Verwitterung, Abrieb aber auch Littering, also achtloses Wegwerfen, gelangen im Jahr 446 000 Tonnen Kunststoff in die Umwelt, so die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts. Statistisch gesehen ist jeder Deutsche für 5,4 Kilogramm Kunststoffe in der Umwelt im Jahr verantwortlich.
Doch auch wer seinen Plastikmüll fachgerecht entsorgt, handelt nicht unbedingt umweltfreundlich. Ungefähr 39 Prozent des deutschen Plastikmülls wurden nach Angaben von plasticseurope.org 2016 recycelt, also sortiert, zu Granulat verarbeitet und einer neuen Bestimmung zugeführt. Knapp 61 Prozent wurden zur Energiegewinnung genutzt. Dabei wird der Plastikmüll gemeinsam mit anderen Brennstoffen, z.B. Kohle, in Kraftwerken verbrannt. Weniger als ein Prozent des deutschen Plastikmülls landete auf der Deponie. Dort rottet der Abfall dann vor sich hin.
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Allerdings gilt Abfall auch als verwertet, wenn er in Recyclinganlagen ins Ausland exportiert wird. Einem Bericht des Spiegels zufolge wird Plastikmüll in großen Menge nach Osteuropa oder Asien transportiert. Dort wird der Abfall aber nicht etwa verwertet, sondern lagert auf riesigen Müllhalden.
Dass weltweit jährlich zehn Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer landen, überrascht so kaum. Die Bilder von Meeressäugern, die Plastikteile fressen und verenden oder sich im Abfall verfangen, sind allgegenwärtig. Darunter leiden aber nicht nur exotische Tiere und weit entfernte Strände. Auch die Ostsee ist betroffen. „Die Leute lassen ihren Abfall am Strand liegen und dann weht er ins Meer“, sagt Nicoline Henkel, Umweltberaterin der Stadt Kiel. „Ich erlebe es ganz oft an der Kiellinie, dass Möwen Plastikteile aus dem Wasser holen.“
Das Problem ist die Beständigkeit
Dabei wird eine der wichtigsten Eigenschaften von Plastik, nämlich die Beständigkeit, problematisch. „Kunststoffe haben das Problem, dass sie in der Natur nicht abbaubar sind“, sagt Rainer Adelung, Professor für Materialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.
Das Plastik würde zwar in der Natur klein gemahlen, sei aber chemisch trotzdem noch robust. Die winzigen Partikel würden dann von Mikroorganismen wie Bakterien und mikroskopischen Algen aufgenommen. Dadurch setze sich das Problem mit dem Mikroplastik entlang der Nahrungskette fort.
Britische Wissenschaftler stellten im Februar 2019 einen möglichen Bezug zwischen der aufgenommenen Menge Plastikpartikel und dem Auftritt von Infektionskrankheiten bei Meeressäugern her. Im Herbst 2018 wiesen Forscher erstmals Mikroplastik in menschlichem Stuhl nach.
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Kunststoff – Ein Material mit Vor- und Nachteilen
Dass Plastik seit den 1950er Jahren zu dem Werkstoff schlechthin wurde, liegt vor allem an seinen vielfältigen Eigenschaften.
„Kunststoff kann man sich so vorstellen, wie einen Teller Spaghetti. Die einzelnen Spaghetti entsprechen den molekularen Strängen, die in dieser Struktur herumliegen“, sagt Rainer Adelung, Professor für Materialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel.