Flughafen Kiel-Holtenau
Sinkflug oder durchstarten?

Nicht einmal zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt der Flughafen Kiel-Holtenau. 2018 könnte sein Schicksalsjahr werden. Seit Jahren wird über eine mögliche Schließung diskutiert, im Frühjahr soll ein Bürgerentscheid über die Zukunft des Flughafens entscheiden. Ein Besuch an einem Ort, den es so vielleicht bald nicht mehr gibt.

Den Flughafen im Blick Bernd Ahmling sorgt im Tower für den reibungslosen Ablauf

Ein grauer Tag im Spätherbst. Die Wolken hängen tief, es weht ein kalter Wind. Wer rausgeht, zieht besser eine Regenjacke an. Aber wer geht bei diesem Wetter schon gern freiwillig vor die Tür? Und wer setzt sich jetzt nur aus Spaß in ein Flugzeug? Für Flugleiter Bernd Ahmling bedeutet das: Er hat deutlich weniger im Tower zu tun, als an Schönwetter-Tagen im Sommer. „Zur Kieler Woche haben wir etwa 200 Starts und Landungen pro Tag, an durchschnittlichen Novembertagen sind es zwischen 25 und 30.“ Pro Jahr sind es rund 15.000. Heute, an diesem besonders grauen Tag, ist bis zum späten Vormittag erst ein Flugzeug abgehoben. „Die meisten Flugbewegungen haben wir zwischen April und September, dann sind auch die Hobbyflieger vom Luftsportverein besonders aktiv. Ungefähr die Hälfte der Starts und Landungen sind Privatflüge.“ Zur besonders stressigen Zeit sind die Flugleiter dann auch in Doppelbesetzung im Tower vertreten.

Die Aufgabe der insgesamt vier Mitarbeiter: Am frühen Morgen die Landebahn abfahren, im Tower fünf Minuten vor Landung Kontakt zum Flieger aufnehmen, je nach Windrichtung eine geeignete Landeposition festlegen und den Vorgang beobachten. Eingegriffen wird nur, wenn es brenzlig wird. Wie oft kommt das vor? „Ein bis zweimal im Monat“, sagt Ahmling. Diese Zahl ist unter anderem deshalb so niedrig, weil der Flughafen Kiel-Holtenau über ein sogenanntes Instrumentenlandesystem verfügt. Es hilft Piloten durch Funk-Signale, die richtige Position für den Landeanflug zu finden.

Video: Impressionen vom Kieler Flughafen

56 Euro kosten Start oder Landung für Flugzeuge bis zu zwei Tonnen Gewicht, wer besonders früh abheben oder spät landen möchte, muss mit bis zu 200 Euro Extrakosten rechnen. Promis wie Angelique Kerber zahlen diese Rechnung gern. Die Kieler Tennisspielerin habe den Flughafen schon oft genutzt, um zum Beispiel nach einem Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“ an die Förde zu kommen, so Ahmling.

Luftaufnahme: Unternehmen und Vereine auf dem Kieler Flughafen

Wenn Sie mit Ihrer Computermaus über das Foto streichen, können Sie sehen, wo die vorgestellten Unternehmen und Vereine auf dem Kieler Flughafen angesiedelt sind.

Auf Augenhöhe mit der Bundeswehr Jürgen Artis trainiert die deutschen Streitkräfte

„Equipment Interior Service” (auf Deutsch: Ausrüstungs- und Inneneinrichtungsservice, abgekürzt E.I.S.) – so heißt die Firma, für die Jürgen Artis arbeitet. Das ist ein wenig irreführend, denn das Unternehmen mit bundesweit 350 Mitarbeitern an mehreren Standorten hat sich in Kiel-Holtenau einem anderen Thema verschrieben. Artis und seine Kollegen haben mit der Inneneinrichtung von Flugzeugen eigentlich so gar nichts zu tun.

„Diese Flugzeuge haben die gleichen Eigenschaften wie Düsenjäger.“ – Jürgen Artis

Den Großteil seiner Arbeitszeit verbringt der Stationsleiter in einer PC 9 Turboprop-Maschine. 1150 PS, Neupreis: 6,5 Millionen Euro. Neun Stück stehen momentan in einer der Hallen auf dem Flughafen-Gelände. „Diese Flugzeuge haben die gleichen Eigenschaften wie Düsenjäger“, sagt Artis. Wer bei diesem Begriff gleich an die Bundeswehr denkt, liegt richtig: Jürgen Artis und sein Team arbeiten eng mit der deutschen Luftwaffe und der Marine zusammen. Genauer gesagt trainieren sie die Soldaten in der Luft. „Wir sind eine Art Sparringspartner“, erläutert Aris. Heißt: Die Piloten sind der gespielte Gegner der Bundeswehr und dienen als Zielobjekt zu Ausbildungszwecken. In der Hohwachter Bucht wird dann zum Beispiel auf einen am Flugzeug befestigten Schleppsack geschossen. Ob getroffen wurde, wird der Truppe zeitgleich digital übermittelt.

Für so einen Job braucht es neben einer gehörigen Portion Kühnheit natürlich auch viel Erfahrung im Cockpit. 8000 Flugstunden, schätzt Jürgen Artis, hat er in seinem Leben bereits auf Schleudersitzen verbracht. Wie auch seine Kollegen war er vor seiner Zeit bei E.I.S Jet-Pilot bei der Bundeswehr, kennt also die Truppe und ihre Bedürfnisse. Das zahlt sich aus. In Zukunft möchte sein Arbeitgeber am Standort Kiel gern weitere Flugzeuge anschaffen.

Der Mann für "Spezial"-Aufträge Oliver Schubert und sein Hubschrauber

Er trägt sie wirklich. Im November. Bei Nieselregen. In einer nur dezent ausgeleuchteten Halle. Bei Oliver Schubert ist auf den ersten Blick erkennbar, womit er sein Geld verdient. Der 49-Jährige arbeitet als Pilot bei der Firma Rotorflug. Die dazugehörige Sonnenbrille nimmt er nur selten von der Nase.

1997 kam er nach Kiel, die Station leitet er als Ein-Mann-Betrieb seit 2001. Rund 350 Stunden pro Jahr ist er mit seinem Jetranger, einem gut anderthalb Tonnen schweren Mehrzweckhubschrauber, in der Luft. Seine Aufgaben: „Spezialfliegerei“. Auf Nachfrage wird Schubert dann doch konkreter: Für Energieversorgungsunternehmen kontrolliert er zum Beispiel deren Hochspannungsleitungen und Pipelines aus der Luft. Oder er agiert als eine Art fliegender Kran auf besonders schwer zugänglichen Baustellen. Auch Privatpersonen können bei ihm einen Rundflug buchen. Manchmal, so Schubert, steige auch ein Prominenter zu. Wer genau, dürfe er aber nicht verraten. „Mein Business lebt von Diskretion.“

Schwereloses Hobby René Lancelle vom Luftsportverein Kiel

Der Garten sieht aus wie beim Nachbarn um die Ecke: Auf dem Rasen steht eine Schaukel, in der Hütte lagern bequeme Polstermöbel, alles ist bunt und ein wenig chaotisch. Drinnen im flachen Gebäude wartet René Lancelle und führt durch seine Räume. Der Vereinsvorsitzende des Kieler Luftsportvereins ist stolz auf die 14 Motorflugzeuge, Reisemotorsegler und Segelflugzeuge, mit denen seine Mitglieder in die Luft gehen.

Vergrößern

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Außenansicht der Luftsport-Halle auf dem Kieler Flughafen

180 sind momentan registriert, ein Drittel von ihnen Segelflieger. „Ein Sport für jede Altersklasse und jedes Portemonnaie“, sagt Lancelle. „Das ist auch schon etwas für Kinder.“ Noch vor der Teenagerzeit kann die Ausbildung starten, mit 14 dann der erste Alleinflug. Eine Prüfung kann ablegen, wer seinen 16. Geburtstag hinter sich hat. Ein wenig Geschick und technisches Verständnis natürlich vorausgesetzt.
Rund 1500 Euro kostet die Segelfliegerausbildung, verteilt auf vier Jahre. Um die laufenden Kosten im Verein gering zu halten, werden anfallende Reparaturarbeiten an den Flugzeugen in einer eigenen Werkstatt von den Vereinsmitgliedern erledigt.

„Alleine hebt man als Segelflieger nicht ab.“ – René Lancelle

Lancelle schwärmt für seinen Sport: „Es kommt auf den einzelnen und das Team an. Alleine hebt man als Segelflieger nicht ab.“ Er selbst schnupperte schon früh Höhenluft, wollte eigentlich Berufsflieger werden. Doch Probleme mit den Augen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Für die Aufnahmetests reichte es da nicht mehr. Als Hobby blieb Lancelle der Fliegerei jedoch treu, trat mit 29 Jahren in den Kieler Luftsportverein ein und wurde 2011 dessen 1. Vorsitzender.

So rosig wie damals gehe es dem Verein heute nicht mehr, bedauert er. Die Mitgliederzahlen sind rückläufig, vor allem der Nachwuchs bereitet Lancelle Sorgen. Momentan sind lediglich zwei der 180 Mitglieder unter 18 Jahre alt. „Wie leiden darunter, dass Fliegen heute für jeden möglich ist.“ Von Hamburg nach Barcelona für 30 Euro? Dank Ryanair und Co kein Problem. Auf dem Flughafengelände fühle sich der Verein aber wohl. Die Diskussion um dessen Zukunft verfolgt Lancelle mit Sorge. Ein Standortwechsel? Quasi ausgeschlossen. „Ein anderer Flugplatz in der Gegend müsste alle Mitglieder geschlossen aufnehmen. Das kann nicht klappen.“

Spenderorgane und der Kieler Flughafen Zahlen und Fakten

Spenderorgane, die am Universitätsklinikum (UKSH) in Kiel transplantiert werden, erreichen die Landeshauptstadt seit Mitte der achtziger Jahre auch über den Kieler Flughafen. Wann, wie oft und unter welchen Umständen dies der Fall ist, erfahren Sie im Video:

Bis vor zwölf Jahren hatte der Kieler Flughafen auch noch eine weitere Funktion: Er diente Urlaubern und Geschäftsleuten als Start- und Landepunkt für reguläre Linienflüge. Hochbetrieb herrschte zwischen den siebziger und neunziger Jahren. Das nächste Kapitel wirft einen Blick in diese Zeit.

Der Flughafen damals - und heute

Kiel-Holtenau und sein Flughafen – es ist eine wechselvolle Geschichte: Gebaut 1914, entstand auf der Fläche zunächst ein zivil genutzter Landflughafen, der im Zweiten Weltkrieg zum Militärflugplatz wurde. In den folgenden Jahrzehnten starteten dann wieder zivile Flüge. Wer in Kiel mit der Cimber Air, einer Lufthansa-Tochter, abhob, landete in Kopenhagen, Riga oder München.

Doch diese Zeiten sind lange vorbei: 2006 wurde der Linienbetrieb aufgrund geringer Fluggastzahlen eingestellt. Fünf Jahre später übernahm der Seehafen Kiel, ein Unternehmen der Landeshauptstadt, den Flughafenbetrieb. Heute sind fünf Unternehmen und ein Luftsportverein am Standort angesiedelt, außerdem landen Ambulanzflüge für den Krankentransport und für den Transport von Spenderorganen. Streng genommen ist der Flughafen nur noch ein „Verkehrslandeplatz“.

Wie geht es weiter auf dem Gelände? Airpark oder Wohnquartier?

Seine Haupteinnahmen generiert der Flughafenbetrieb momentan aus Landeentgelten, Tank- und Pachterlösen. Doch die reichen bisher nicht aus, um den Bedarf zu decken: Zwar konnten die Zuschüsse seit 2011 jährlich reduziert werden, im Jahr 2018 wird die Stadt Kiel aber nach Angaben des Seehafens voraussichtlich 200.000 Euro zusteuern müssen. Ist das viel oder wenig? Entwickelt sich der Flughafen gut oder nicht? Darüber wird seit Jahren in der Kieler Ratsversammlung diskutiert.

Momentan steht der Flughafen am Scheideweg. Zwei Pläne sehen höchst unterschiedliche Szenarien vor: Der Seehafen plant einen groß angelegten sogenannten Airpark, der einen Weiterbetrieb der Landebahn und dazu in einem ersten Schritt die Schaffung von rund 70.000 Quadratmetern Gewerbefläche und die Erschließung von acht Baufeldern in direkter Nachbarschaft vorsieht. Steigende Pachteinnahmen sollen die Zukunft des Flughafens sichern. Auch die Kieler Feuerwehr will sich mit einer Einheit für maritimen Brandschutz dort ansiedeln. Die Kieler Ratsversammlung hat diesem Konzept bereits im November 2017 zugestimmt.

Trotzdem könnte der Airpark noch scheitern – wenn es nach der Initiative „Wir machen Stadt“ unter Federführung der Grünen-Politikerin Lydia Rudow geht. Sie will die knapp 1400 Meter lange Landebahn schließen und stattdessen auf dem Gelände Wohnungen für mehrere Tausend Menschen und dazu circa 40 Hektar Gewerbeflächen errichten lassen. Rund 240 Millionen Euro würde dieses Vorhaben zunächst kosten. Wie viel die Stadt Kiel davon zahlen würde, ist noch unklar. Mit Mehreinnahmen sei nach etwa 30 Jahren zu rechnen,  so steht es in einem von der Stadt in Auftrag gegebenen regionalwirtschaftlichen Gutachten:

In einem ersten Schritt sammelt Rudows Initiative Unterschriften für ein Bürgerbegehren, also den Antrag auf einen Bürgerentscheid. Es wäre erst der dritte in der Kieler Geschichte. Bei diesem sollen die Kieler dann über die Zukunft des Flughafens abstimmen.

Es ist völlig offen, welches der Vorhaben umgesetzt wird. Wir lassen beide Seiten noch einmal zu Wort kommen.

Geschäftsführer Dirk Claus setzt auf den Weiterbetrieb

Dirk Claus ist Geschäftsführer der Seehafen Kiel GmbH und damit zuständig für den Betrieb des Hafens und des Flughafens der Landeshauptstadt Kiel.

Frage: Herr Claus, der Kieler Hafen ist den Bürgern durch seine zentrale Lage in der Stadt, die riesigen Schiffe und regelmäßigen Rekordmeldungen über die Anzahl der Kreuzfahrt-Passagiere sehr präsent. Der Flughafen Holtenau spielt gefühlt eher eine Nebenrolle. Welchen Anteil hat der Flughafen in ihrer täglichen Arbeit?

Wir haben einen sehr guten Terminalleiter vor Ort, der sich um vieles kümmert. Für mich sind das circa sechs bis acht Stunden pro Woche, die ich da reinstecke. Unser erstes Aufgabengebiet war der Hafen, dann wurde uns der Flughafen übertragen. Wir haben uns überlegt: Wie kann man das besser, schlanker gestalten? Im Grunde ist der Flughafen für uns auch eine Art Terminal, das wir auch managen.

Wie hat sich der Flughafen aus Ihrer Sicht seit 2011 entwickelt?

Wenn Sie mich als Geschäftsführer fragen: Sehr gut natürlich! Wir konnten die Zuschüsse von 1,2 Millionen auf 200.000 Euro im Jahr 2018 reduzieren, haben den Personalbestand sozialverträglich reduziert und teilweise in den Hafenbetrieb integriert. Wir haben mit der Tankstelle von BP ein neues Geschäftsfeld übernommen und werden jetzt versuchen, das Immobiliengeschäft weiter aufzubauen.

Trotzdem ist der Flughafen seit 2011 in der Diskussion, wird oft infrage gestellt. Wie haben Sie persönlich diese Diskussion erlebt? Gab es Momente, in denen Sie ein Aus vor Augen hatten?

Ganz so dramatisch würde ich es nicht sehen. Ich hatte das Aus nie vor Augen und habe es auch jetzt nicht. Wir arbeiten ganz normal weiter mit dem Ziel eines dauerhaften Flugbetriebs. Wir müssen bestimmte Investitionen durchführen, sonst ließe sich der Flugbetrieb nicht aufrechterhalten. Da kann man sich nicht andauernd fragen: Machen wir das jetzt noch? An dem Flughafen hängen Arbeitsplätze, wir führen das konsequent weiter. Aber natürlich ist eine Planungssicherheit irgendwann mal notwendig und die werden wir jetzt bekommen, da bin ich mir sicher. Momentan gibt es auf dem Gelände eine größere Nachfrage, zum Beispiel von der Firma E.I.S. nach einer weiteren Flugzeughalle, die wir nicht befriedigen können.

Wie war Ihr erster Gedanke, als klar wurde, dass es eine Unterschriftenaktion für ein Bürgerbegehren gibt?

Diese Idee ist nicht vom Himmel gefallen. Das war ein schleichender Prozess. Ich arbeite seit 20 Jahren für die Politik, das hat mich nicht geschockt. Die Bürger werden schon vernünftig entscheiden.

Was spricht Ihrer Meinung nach für einen Weiterbetrieb des Flughafens?

Eines der Hauptargumente ist für mich, dass niemand weiß, wie die technische Entwicklung in der privaten Fliegerei sein wird. Es gibt zum Beispiel einen enormen Sprung in der Drohnenfliegerei. Da wäre es fatal, die Infrastruktur des Flughafens aufzugeben, weil wir sie nie wieder so erschaffen können. Wir werden in Kiel oder den Umlandgemeinden kein ähnliches Areal finden. Und was das Wohnargument angeht: Wir haben dafür das gesamte MFG5-Gelände direkt neben dem Flughafen und den Südstreifen, da kann Wohnraum parallel zum Flugbetrieb entwickelt werden. Wenn man sich die Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung anschaut, haben wir jetzt einen kurzfristigen Bedarf. Den wird es so nicht mehr geben, wenn der Flughafen geschlossen ist und die vielen Wohnungen gebaut wurden. Und natürlich hat der Flughafen eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, bei uns arbeiten rund 80 Menschen, wir haben jährlich etwa 15.000 Starts und Landungen aus den verschiedensten Bereichen: Ambulanzen, für die Werften, Sportflieger, VIP-Flieger. Ein israelischer Ministerpräsident, der Kiel besucht, landet natürlich auf unserem Flughafen. Wenn es bei Holstein Kiel so weitergeht, kommt 2018 vielleicht Bayern München hier an, wer weiß?

Es ist wahrscheinlich für einige Kieler schwierig, diesen Argumenten zu folgen, wenn sich der Flughafen nicht selbst finanziert, sondern auf Zuschüsse angewiesen ist. Woher soll das Vertrauen kommen, dass dies zukünftig nicht mehr der Fall sein wird?

Wir reden hier von einem Zuschussbedarf von 200.000 Euro für das Jahr 2018. Ich möchte keine andere Position im städtischen Haushalt streichen, diese Rechnung erlaube ich mir nicht. Aber schauen Sie sich den Haushalt mal an. Wie groß ist er insgesamt und was machen da 200.000 Euro aus? Das ist lächerlich. (Der Kieler Haushalt sieht 2018 Investitionen im Gesamtwert von rund 67 Millionen Euro vor, Anm. der Redaktion). Die Stadt Kiel erzielt durch unsere Mitarbeiter und die angesiedelten Unternehmen wahrscheinlich Steuereinnahmen in ähnlicher Höhe. (Für die der Stadt Kiel bekannten angesiedelten Unternehmen auf dem Flughafengelände Kiel wurden 2018 Gewerbesteuern in Höhe von 110.998 Euro festgesetzt, Anmerkung der Redaktion.)

Lydia Rudow will die Landebahn schließen

Für Lydia Rudow, Fraktionsvorsitzende der Kieler Grünen und Initiatorin von „Wir machen Stadt“, steht fest:

„Der Flughafen Kiel-Holtenau wird in seiner Bedeutung überschätzt. Die Mehrheit der Ratsversammlung spiegelt nicht die öffentliche Meinung wider.“

Seit September des vergangenen Jahres sammeln Rudow und ihre Mitstreiter Unterschriften für ihr Vorhaben – das Ende des Flughafenbetriebs in Kiel-Holtenau. Knapp 8000 müssen bis spätestens Anfang März 2018 zusammenkommen, damit der Antrag auf einen Bürgerentscheid eingereicht werden kann. Dabei sitzt den Initiatoren die Zeit im Nacken. Am liebsten wäre ihnen eine Abstimmung parallel zur Kommunalwahl. Dann wäre aber bereits im Februar Schluss. „Über 5000 Unterschriften“, so Rudow, standen kurz vor Weihnachten auf den Listen, in die man sich unter anderem an der Kieler Uni, an einem Stand in der Holtenauer Straße und in zahlreichen Cafés und Läden der Landeshauptstadt eintragen kann. Rund 7000 waren es Mitte Januar.

Die Reaktionen der Bürger auf ihre Aktion seien „überwiegend positiv“, sagt Lydia Rudow. Vielen sei jedoch über den Flughafen nur wenig bekannt. Er spiele im Leben der Kieler kaum eine Rolle. Anders sehe es beim vieldiskutierten Thema Wohnungsnot aus. Die Stadt Kiel müsse in absehbarer Zeit über 20.000 Wohnungen bauen. Hier soll ihr Konzept Abhilfe schaffen. „Wohnen für viele statt fliegen für wenige“ lautet demnach das Motto von „Wir machen Stadt“. Insbesondere Studenten und junge Familien sollen auf dem Flughafengelände in 1800 zumeist günstigen Wohneinheiten ein neues Zuhause finden. Aber schätzen nicht gerade Studenten eine zentrale, uninahe Lage? Auf dem Kieler Wohnungsmarkt zählen besonders in dieser Altersklasse die Stadtteile Ravensberg und Schrevenpark zu den begehrtesten Lagen. Lydia Rudow winkt ab. „Gaarden verfügt auch über eine schnelle Buslinie, die müsste man dann auch für die Fahrt vom ehemaligen Flughafengelände in die Stadt einrichten.“

Was die eventuelle Schließung des Flughafens für die derzeit 73 Mitarbeiter bedeutet, darüber kann Rudow nur mutmaßen. „Wünschenswert wäre es natürlich, wenn sie im Kieler Umland eine ähnliche Beschäftigung finden würden.“ Nach Angaben von „Wir machen Stadt“ könnten in einem neu entstandenen Gewerbegebiet auf dem dann ehemaligen Flughafengelände bis zu 2600 Arbeitsplätze entstehen.

Beim Luftsportverein ist sich die Grünen-Politikerin sicher, dass eine Aufnahme der Mitglieder durch andere Vereine möglich wäre. Und wie sieht es beim Thema Spenderorgane aus? Lydia Rudow verweist dabei auf die Flugplätze Rendsburg-Schachtholm und Hohn – diese sind jedoch jeweils rund 45 Kilometer vom UKSH Kiel entfernt, was von zuständigen Ärzten im Krankenhaus kritisch gesehen wird.

Letztendlich seien Entscheidungen wie eine Schließung des Flughafens eine Abwägungssache, so Rudow: „Für uns steht fest, dass die betriebene Landebahn einen limitierenden Faktor in der weiteren Entwicklung des Areals darstellt.“

Ein von der Stadt Kiel in Auftrag gegebenes regionalwirtschaftliches Gutachten hatte im Oktober 2016 beide Optionen geprüft. Sowohl das Projekt Airpark als auch das Konzept von „Wir machen Stadt“ wurden unter die Lupe genommen. Fazit: Am besten wäre ein kurzfristiger Weiterbetrieb mit der Aussicht auf eine langfristige Schließung des Flughafens. Dies kommt jedoch weder für Dirk Claus, noch für Lydia Rudow infrage. Beiden pochen auf eine schnelle Lösung. Der Seehafen-Chef fordert Planungssicherheit für mögliche Investoren, die Grünen-Politikerin argumentiert mit dem momentan drängenden Problem der Wohnungsnot. Sollten die knapp 8000 Unterschriften zusammenkommen, können die Kieler Bürger bereits zeitgleich zur Kommunalwahl am 6. Mai 2018 über die Zukunft des Kieler Flughafens entscheiden.