Ganz oben

ganz unten? Kiel-Mettenhof und der Weiße Riese – Kieler Nachrichten

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28.04.2024 | 14:13h
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Wer ganz oben auf der Plattform im 23. Stock steht, kann sehen, was Kiel zu bieten hat: Hohe Häuser, das Rathaus, den Werftkran, die Förde – und ganz viel Grün. Die Aussicht vom Weißen Riesen in Mettenhof ist atemberaubend schön. Das Bild, das manche Menschen von diesem Stadtteil und seinem Wahrzeichen haben, ist hingegen ganz anders. Schmutzig, prekär, gefährlich: Diese Meinung haben viele Kieler, die einige Kilometer Luftlinie entfernt zuhause sind. Aber stimmt das wirklich? Und wie lebt es sich eigentlich im Weißen Riesen, dem Haus mit der wohl besten Aussicht?

Damals: Was hat man sich dabei gedacht?

„Mettenhof – die Stadt von morgen“ – so titelten die Zeitungen Mitte der 1960er Jahre. Politiker, Stadtplaner und Bürger setzten große Hoffnungen in den neu entstehenden Stadtteil. Denn die Not in der Landeshauptstadt war groß: 10.000 Wohnungen fehlten für die rasch wachsende Bevölkerung. In einem ersten Konzept sollte Mettenhof Platz für 40.000 Menschen bieten. Die Rahmenbedingungen klangen vielversprechend: Wohnungen in jeder Größe mit Zentralheizung, Balkon und eigenem Parkplatz vor der Tür – für gerade einmal 2,80 Mark pro Quadratmeter. Dazu eine gute Infrastruktur mit Schulen, Geschäften, Altenheimen und einem Krankenhaus. Und mittendrinn: Das höchste Wohngebäude Kiels, das schon bald Weißer Riese genannt werden würde. 700 Millionen Mark sollte die Errichtung dieser Trabantenstadt kosten – soweit die Planung.

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In der Realität geriet das Projekt schnell an seine Grenzen: Aus 40.000 wurden 20.000 Bewohner, fehlende Jugendeinrichtungen sorgten für Frust und Kriminalität unter den Heranwachsenden. Und auch der Weiße Riese galt schon bald als Schandfleck und Symbol einer verfehlten Stadtplanung. Daran hat sich in vielen Köpfen bis heute nur wenig geändert.

Wir haben uns auf dem Kurt-Schumacher-Platz umgehört: Was sagen die Anwohner zum Weißen Riesen?

Und was denkt derjenige, der den Weißen Riesen Ende der fünfziger Jahre entworfen hat, über sein Werk?

Hans Konwiarz (geboren 1919) war nach dem Krieg als Architekt bei der gewerkschaftsnahen Hamburger Immobilienfirma „Neue Heimat“ angestellt. Im Fokus seiner Arbeit standen hochgeschossige Häuser mit günstigen Wohnungen, die mit Zentralheizung und Balkon bezahlbaren Komfort für Arbeiter bieten sollten. Konwiarz entwarf unter anderem die Wohnsiedlung „Bunte Kuh“ in Lübeck, eine Bebauung mit Sozialzentrum in Kiel-Pries und den Weißen Riesen in Mettenhof. Als sein ambitioniertestes Projekt gilt das „Alsterzentrum“ in der Hamburger Innenstadt: 200 Meter hohe Häuser mit Platz für 20.000 Menschen direkt neben dem Hauptbahnhof. Der Spiegel nannte es den „revolutionärsten Entwurf der nachkriegsdeutschen Architektur“ – trotzdem scheiterte das Projekt 1973. Grund: Fast der gesamte Stadtteil St. Georg hätte abgerissen und seine Bewohner zwangsumgesiedelt werden müssen. Wie kommt man auf so eine Idee? Konwiarz selbst ist heute 98 Jahre alt und gesundheitlich schwer angeschlagen. Sein Sohn Thomas Konwiarz, 61 Jahre alt und Bildhauer, erinnert sich daran, wie er die Arbeit seines Vaters erlebt hat – und was dieser noch heute darüber denkt.

„Mein Vater ist ein extrem ehrgeiziger Mensch. Das liegt auch an seiner Erfahrung als Flüchtling. Als er nach dem Krieg aus Breslau nach Hamburg kam, musste er doppelt so gut sein, wie andere Architekten. Bei den Einheimischen hatte er einen schweren Stand, es war eine harte Zeit für ihn. Trotzdem war er immer ein sehr lustiger Mensch. Er hat viel gelacht.

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