DICKE SCHIFFE, DICKE LUFT? Die Seefahrt und ihre Abgase

Kieler Nachrichten

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Täglich legen Schiffe rund um die Förde an – vom Frachter bis zum Kreuzfahrtschiff. Ihre Buge ragen bis fast in die Fußgängerzone. Ihre qualmenden Schornsteine gehören zum Stadtbild. Doch wie gesund ist das für Mensch und Umwelt? Sind Schiffsabgase ein unterschätztes Problem? Und was lässt sich ändern? Eine Analyse.

Kieler Luft Bestandsaufnahme rund um die Förde

Im Osten die Werften, im Westen der Nord-Ostsee-Kanal, im Norden das Tor zu Skandinavien: Die Seefahrt prägt Kiel wie kaum eine andere Stadt in Deutschland. Qualmende Schiffsschornsteine gibt es viele. An einem Sommertag können hier schon mal bis zu fünf Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig abgefertigt werden, hinzu kommen mindestens drei Fähren aus Norwegen, Schweden und Litauen,  die SFK-Fördefähren, Flussfahrtschiffe und Yachten sowie etwa 100 Frachter auf dem Weg zum Nord-Ostsee-Kanal.

Auf der Förde herrscht also reger Betrieb. 17 Kilometer lang ist die Meeresbucht, die sich von der Ostsee bis in die Innenstadt zieht. Wer genau wo anlegt, zeigt diese Grafik:

Die Schifffahrt prägt nicht nur das Stadtbild Kiels, sondern auch seine Wirtschaft. Als Umschlagplatz für Güter und Anlaufstelle für Passagiere gehört der Kieler Hafen zu den größten Häfen Deutschlands. Insgesamt 1.519 Schiffe legten hier im Jahr 2016 an.

Auch wenn die Zahl der anlegenden Schiffe zurückgeht, steigt die Zahl der umgeschlagenen Güter – und auch die Pötte werden immer größer. Der Fährverkehr bleibt stabil, die Kreuzfahrt boomt. Die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Knapp eine halbe Million Menschen ging in Kiel 2016 von oder an Bord.

Was heute selbstverständlich wirkt, ist in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten langsam gewachsen. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Der Hafen und die Schifffahrt waren schon immer ein zentrales Kapitel der Kieler Geschichte.

Der Hafen in Kiel entwickelt sich ständig weiter. Doch was heißt das für die Schadstoffbelastung? Bedeutet der rege Schiffsverkehr automatisch hohe Abgaswerte? Wir haben mit Menschen in Kiel darüber gesprochen, wie sie die Emissionen in der Stadt wahrnehmen.

Gefühlte Emissionen: Was sagen Kieler und Kreuzfahrer zur Luft in der Stadt?

So steht es tatsächlich um die Luftqualität in Kiel

Um die Luftqualität zu bewerten, sind vor allem die Messwerte für die Schadstoffe Schadstoffe Stickoxid und Feinstaub von Bedeutung. Was die schädlichen Stickoxide angeht, ist Kiel im bundesdeutschen Vergleich besonders belastet. Laut Bundesumweltministerium wurde 2016 in lediglich drei deutschen Städten (Stuttgart, München und Reutlingen) eine höhere Stickoxid-Belastung gemessen als in Kiel. Bei den Feinstaubwerten liegt die Stadt im deutschlandweiten Durchschnitt.

Für die Luftmessungen zuständig ist in Kiel das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). An insgesamt drei Stellen in der Stadt sind Messstationen installiert: An der Bahnhofstraße, am Bremerskamp und dem Theodor-Heuss-Ring. Hier werden kontinuierlich die Werte für Stickoxide und Feinstaub bestimmt. Im stadtweiten Vergleich sind die Belastungen am Theodor-Heuss-Ring am höchsten. Hier lag der Jahresmittelwert der Stickoxidbelastung bei 65 Mikrogramm pro Kubikmeter, 2015 waren es 64 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das liegt deutlich über über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt.

Hat die hohe Stickoxidbelastung auch mit den Schiffsabgasen zu tun?

Aus den Messdaten am Theodor-Heuss-Ring lasse sich nicht darauf schließen, heißt es aus dem Landesumweltministerium und von der Stadt Kiel. Hier sieht man die Autos als Hauptverursacher für die hohen Stickoxid-Werte:  „Die Belastung an der Straße zeigt einen typischen Wochengang, der durch den Berufsverkehr bestimmt wird“, teilt das Umweltministerium mit. Da die vorhandene Belastung auch durch Windverhältnisse beeinflusst werde, könne von den gemessenen Abgaswerten nicht auf eine einzelne Quelle wie einen Schiffsschornstein geschlossen werden. Auch bei der Stadt ist man sich sicher: „Der Fahrzeugverkehr muss hier als wesentlicher Verursacher angesehen werden.“

Seit Bekanntwerden der hohen Luftbelastung wächst der Druck auf Kiel: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits angekündigt, gegen Kiel und 44 weitere Städte ein formales Verfahren einzuleiten, um die Einhaltung der Stickoxid-Werte sicherzustellen. Der Verband erwartet von den für Luftreinhaltung zuständigen Behörden, dass sie innerhalb von vier Wochen erklären, mit welchen wirksamen Maßnahmen sie die Grenzwerte einhalten wollen.

Sollten die Antworten nicht zufriedenstellend ausfallen, prüfe man weitere Rechsverfahren und leite sie gegebenfalls kurzfristig ein. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) erwiderte: „Wir brauchen den DUH nicht – weder zur Anerkennung der Lage noch für unseren Ehrgeiz, daran etwas zu ändern.“ Die Stadt beschäftige sich schon lange mit den hohen Stickoxidbelastungen am Theodor-Heuss-Ring, der Handlungsdruck sei hoch. Darüber hinaus verweist Kämpfer darauf, dass man mit dem Umweltministerium an einem neuen Luftreinhalteplan arbeite.

Schiffsabgase werden in Kiel nicht regelmäßig gemessen

Regelmäßige Messungen für Schiffsabgase werden in Kiel bis jetzt nicht durchgeführt. Der Seehafen verweist auf Messungen aus dem Jahr 2008, die das LLUR in der Hafengegend vorgenommen habe. Aus ihnen gehe hervor, dass selbst, wenn viele Kreuzfahrtschiffe in der Stadt anlegten, die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub nicht überschritten würden. An Wochenenden, wenn viele Kreuzfahrer in der Stadt sind, sei die Belastung sogar niedriger als in der Woche. Dann aber falle auch der Berufsverkehr weg. Aus dem Landesumweltministerium heißt es: Man prüfe, ein Messprogramm aufzulegen, das mehr Klarheit schaffen könne bezüglich der Schadstoffentwicklung.

Um mehr über die Belastung in direkter Hafennähe zu erfahren, lässt sich so nur auf andere Messungen ausweichen. Wie viele Abgase ein Schiff tatsächlich verursacht, will eine Erhebung des Naturschutzbundes NABU von Juni 2017 illustrieren. Sie zeigt, wie sich der Feinstaubanteil der Luft am Terminal bei Ablegen des Kreuzfahrtschiffs „Ocean Majesty“ verändert.

Zeigt die Messung am Norwegenkai vor Ablegen des Schiffes noch eine Hintergrundbelastung von knapp 20.000 ultrafeinen Partikeln pro Kubikzentimeter, sind es währenddessen fast 170.000. Zum Vergleich gibt der NABU die städtische Hintergrundbelastung am Schrevenpark an. Sie liege dort zwischen 9.000 und 14.000 feinen Partikeln pro Kubikzentimeter. „Die Messung zeigt die Gefährdung der Gäste und Anwohner, die sich dort aufhalten“, sagt Sönke Diesener vom NABU. „Das Messgerät nimmt die selbe Luft auf wie die umstehenden Nasen.“

So lebt es sich direkt am Nord-Ostsee-Kanal: Drei Anwohner, drei Meinungen

In Holtenau scheinen die großen Pötte zum Greifen nah. Täglich kommen Touristen auf die Aussichtsplattform, um dem Treiben auf dem Wasser zuzuschauen. Die Frachter hier sind eine Attraktion. Der Nord-Ostsee-Kanal ist immerhin die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Doch: Pro Jahr fahren hier 30.000 Schiffe nicht nur die Schleuse, sondern auch vorbei an den Haustüren der Holtenauer. Die Schiffsschornsteine qualmen nur wenige Meter von vielen Wohnungen entfernt. Wie gehen die Anwohner damit um? Wir haben drei von ihnen besucht und mit ihnen gesprochen über das Leben direkt am Kanal.

Wolf Mogensen (77), Metzger

„Unsere Metzgerei steht seit über 100 Jahren direkt am Kanal. Hier bin ich aufgewachsen. Auch heute noch wohne ich direkt über dem Laden. Unsere Schlafstube zeigt direkt zum Wasser. Die Fenster mache ich aber höchstens wegen der Lautstärke mal zu – nicht wegen der Schiffsabgase. Natürlich qualmt das mal ein bisschen, aber den Geruch nehme ich nicht wirklich wahr. Ich kenne es ja nicht anders. Für uns war die Lage am Kanal immer nur vom Vorteil: Wir sind mittendrin, kriegen alles mit und haben viele Kanalarbeiter und -angestellte als Kunden. Klar sollte die Politik dafür sorgen, dass die Pötte die Luft nicht verschmutzen. Aber es hat sich ja auch schon etwas getan in den letzten Jahren. Einen Anlass zur Schwarzmalerei sehe ich auf jeden Fall nicht.“

Juliane Barth (58), Unternehmerin

„Ich wohne in der Oberen Strandstraße und kann im Winter, wenn die Bäume kahl sind, direkt auf die Förde blicken. Beim Einzug dachte ich: Was für ein Traum! Heute denke ich mir: Vielleicht doch nicht so eine gute Idee. Besonders, wenn das Schleusentor aufgeht und die Schiffe anfahren, kriege ich die Abgase ganz deutlich mit. Dann mache ich schon mal das Fenster zu. Aber nicht nur zu Hause sind die Emissionen ein Problem. Neulich war ich auf der Hochbrücke mit dem Fahrrad unterwegs, unter mir fuhr ein Schiff vorbei. Da musste ich Luft anhalten, um die Abgaswolke nicht abzukriegen. Die aktuellen Regelungen der Politik stehen für mich in keinem Verhältnis. Es kann nicht sein, dass ich aus Umweltgründen eine neue Heizung kaufen muss – aber die Frachter alles auspusten dürfen.“

Ralf Mothil (57), Medienberater

„Ich lebe seit fünf Jahren in der Kanalstraße – und zwar bewusst direkt am Wasser. Was die Schiffsabgase angeht, bin ich pragmatisch: Wer in Kanalnähe wohnen will, muss die Begleitumstände akzeptieren. Im Alltag stören uns die Abgase nicht, ehrlich gesagt riechen wir sie nicht einmal auf der Terrasse. Die Aufregung darum finde ich etwas scheinheilig. Ich ziehe ja auch nicht an einen Flughafen, und beschwere mich dann über Fluglärm. Den Nord-Ostsee-Kanal gibt es immerhin seit 120 Jahren. Und seitdem wird ja auch die Technologie immer besser. Was den ökologischen Aspekt angeht, habe ich Vertrauen genug in die Umweltverbände und kritischen Stimmen. Als Anwohner jedenfalls genieße ich die maritime Atmosphäre hier.“

Wie viele Abgase verursachen die Schiffe in Kiel? Das sagen die Reedereien

Genaue Zahlen über die Emissionen ihrer Schiffe in Kiel liefert keine der von den Kieler Nachrichten angefragten Reedereien (TUI Cruises, AIDA Cruises, Hapag Lloyd Cruises, Stena Line, SFK). „Der Ausstoß von Schadstoffen ist abhängig von einer Vielzahl von Faktoren“, heißt es zum Beispiel bei AIDA. Es sei „heute noch sehr schwer, wirklich wissenschaftlich belastbare Messungen für den tatsächlichen Ausstoß von Feinstaub bekommen.“ Bezüglich der Gesamtemissionen ihrer Flotte verweisen zumindest AIDA und TUI Cruises auf ihren Nachhaltigkeits– bzw. Umweltbericht für das Jahr 2016.

Ansonsten geben die Reedereien an, mit welchen Kraftstoffen ihre Schiffe in Kiel unterwegs sind und mit welchen Maßnahmen sie versuchen, den Schadstoffausstoß zu verringern.

Wie gefährlich sind die Abgase? Das kommt wirklich aus dem Schornstein

Der dunkle Qualm aus dem Schiffsschornstein wirkt bedrohlich. Experten warnen vor allem vor Stickoxiden, Schwefeloxiden und Feinstaub. Was genau und wieviel ausgeblasen wird, hängt vor allem vom Treibstoff ab.

Dieses Video zeigt, wie und warum die Schadstoffe an Bord entstehen.

Schiffsemissionen stehen in der Diskussion. Ein Mal in die Luft geblasen, gelten Abgase als gesundheitsgefährdend. Aber was machen die Schadstoffe genau mit dem Körper?

Warum sind Abgase eigentlich schädlich? Der Kieler Toxikologe Edmund Maser erklärt.

Welche Abgase sind besonders gefährlich für den menschlichen Körper?
In den Schiffsemissionen finden sich drei besonders schädliche Stoffe: Partikel, Schwefeloxide und Stickoxide. Das CO2, das ebenfalls ausgestoßen wird, wirkt sich nur indirekt durch den Klimawandel auf die menschliche Gesundheit aus. Welcher dieser drei Schadstoffe am gefährlichsten ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Die Substanzen wirken ja nicht einzeln auf den Körper, sondern alle zur gleichen Zeit. Das kann dazu führen, dass sich einzelne Effekte verstärken. Das Ausmaß der Wirkung hängt auch von den Betroffenen ab – für Asthmatiker zum Beispiel kann Schwefeloxid besonders schwere Folgen haben. Die Bronchien verengen sich, dadurch kann es zu Atemnot, einer Lungenreizung oder sogar einer Lungenentzündung kommen.

Wie wirken sich die anderen Abgase auf unseren Körper aus?
Was die Luftschadstoffe besonders gefährlich macht: Im Gegensatz zu belasteten Lebensmitteln können wir die Atemluft nicht meiden. Wir müssen atmen – und atmen so alles ein, was in der Luft ist. So kommen die Abgase in die Lunge. Einmal eingedrungen, beeinträchtigen die Partikel die physiologischen Reinigungsmechanismen. Das kann zum Beispiel zu Lungenentzündungen führen. Es gibt auch Hinweise, dass eine Partikelbelastung die Herzinfarkrate erhöhen kann: Durch das Lungengewebe hindurch gelangt der Ultrafeinstaub zum Teil bis in den Blutkreislauf, wo er zum Beispiel Entzündungsreaktionen in anderen Organen auslösen kann. Und noch eine Gefahr geht von den Partikeln aus: Die Weltgesundheitsorganisation stuft Dieselruß als lungenkrebserregend ein – übrigens in einer Klasse mit Asbest. Die Stickoxide wirken sich vor allem auf die Lungenbläschen aus. Sie schädigen die Kapillarwand, sodass Flüssigkeit austritt und ins Innere der Lungenbläschen gelangt. Das kann zu massiven Atembeschwerden führen.

Können Schiffsabgase denn tödlich sein?
An dem oben beschriebenen akut-toxischen Lungenödem kann vielleicht ein Elektroschweißer sterben, der unsachgemäß arbeitet – nicht aber jemand, der ein oder mehrere Male im Schiffsqualm steht. Dafür ist die Konzentration an Schadstoffen zu niedrig. Es gibt auch keine seriösen Zahlen darüber, ob und wie viele Menschen explizit an Schiffsabgasen sterben, wenn sie diese andauernd über lange Zeiträume einatmen. Andererseits gilt es nicht nur die Schiffsemissionen allein zu betrachten, sondern auch die Kombination mit zum Beispiel den Abgasen aus dem Autoverkehr. Beides zusammen führt zu einer deutlich höheren Grundbelastung. Sicher ist: Wer sich Jahre oder Jahrzehnte Luftschadstoffen wie Partikel, Schwefeloxiden und Stickoxiden aussetzt, tut seinem Körper nichts Gutes. Das kann langfristig Schädigungen zur Folge haben, die die Lungenfunktion einschränken.

Zur Person: Prof. Dr. Edmund Maser ist Direktor des Instituts für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

So viel blasen Schiffe aus: Verkehrsmittel im Vergleich

Volker Matthias, Küstenforscher am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, hält besonders den hohen Ausstoß der Stickoxide für bedenklich. Hier verursacht die Schifffahrt einen Anteil aus von 12,6 Prozent der globalen Emissionen. Der Schiffsverkehr auf Nord- und Ostsee produziert allein 900.000 Tonnen Stickoxide. Das ist fast so viel wie das, was in der Industrienation Deutschland alle Sektoren zusammen verursachen: Hier werden insgesamt 1,2 Millionen Tonnen Stickoxide jährlich in die Luft geblasen.

Was den Energieverbrauch angeht, gelten Schiffe als eines der effizientesten Transportmittel. Ein Frachter kann deutlich größere Gütermengen fassen als zum Beispiel ein Flugzeug. Und auch auf eine Fähre oder ein Kreuzfahrtschiff passen deutlich mehr Passagiere. Zum Vergleich: Während ein Airbus A380, das größte Passagierflugzeug der Welt, etwa 500 Fluggäste befördert, transportiert die Color Line von Kiel nach Oslo bereits über 2.000 Reisende.

Ist der hohe Schadstoffausstoß also gerechtfertigt? Um verschiedene Verkehrsmittel zu vergleichen, bietet es sich an, die Abgasemissionen pro Passagier und Kilometer zu berechnen. Für die Strecke zwischen Kiel und Oslo ergeben sich dabei folgende Durchschnittswerte: Der CO2-Ausstoß pro Passagier ist beim Flugzeug deutlich höher als bei Schiff und PKW. Bei den Stickoxid-Emissionen sieht es anders aus. Mit knapp 3 Kilogramm Stickoxid pro Passagier emittiert ein Schiff mehr als sechs Mal so viel wie ein Flugzeug und mehr als acht Mal so viel wie ein Auto.

Schiffsabgase sind nicht nur ein Problem für die Küstenregion

Wie viel von den Schadstoffen tatsächlich in der Luft liegt, hängt neben den Emissionen auch von anderen Bedingungen ab – zum Beispiel dem Wetter. Experten sprechen deshalb von Schadstoff-Konzentrationen. Laut dem Küstenforscher Volker Matthias sind Hafenstädte besonders belastet. Denn hier kommen Abgase von Stadt und Schiff zusammen. In Hamburg hätten Emissionsberechnungen ergeben, dass der Hafen für ein Drittel der städtischen Stickoxidemissionen verantwortlich ist. Und auch, wenn die Konzentration in Küstennähe besonders hoch ist: Die Schiffsabgase sind längst nicht nur ein Problem für Anwohner und Passagiere. Denn die Schadstoffe breiten sich aus. Die Stickoxide von Nord- und Ostsee zögen vom Küstenstreifen aus bis zu 200 Kilometer landeinwärts, so Volker Matthias. Sie seien damit in jedem Landesteil Schleswig-Holsteins spürbar. Die kleinen Feinstaub-Partikel könnten sogar noch weiter transportiert werden, bis zu 400 Kilometer landeinwärts.

Der Forscher zeigt in einer Modellsimulation, wie weit sich Feinstaub aus Schiffsemissionen über die Nordseeküste hinaus verbreiten kann:

Quelle: Deutsches Klimarechenzentrum, Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

Was tun? Was die Politik bereits regelt - und was nicht

Über 90 Prozent des weltweiten Handels werden auf dem Wasserweg transportiert. Das macht die Seefahrt zu einer schwergewichtigen Branche – und zu einem Drehkreuz unterschiedlichster Interessen: Hier treffen Staaten und Reedereien, Charterer und Umweltschützer aufeinander. Die Schiffsemissionen politisch zu begrenzen, ist nicht einfach. Da die Frachtschiffe und Kreuzfahrer auf der ganzen Welt unterwegs sind, müssen internationale Regelungen her. Und die lassen sich nur schwer beschließen. Im jüngsten UN-Klimaabkommen von Paris ist die Schifffahrt nicht einmal erwähnt. Hinzu kommt: Die Weltflotte erneuert sich nur schleppend – im Schnitt ist ein Schiff zwischen 25 und 30 Jahren im Einsatz.  Das heißt: Die Technik ändert sich erst, wenn neue Schiffe in Dienst gestellt werden.“Die Seefahrt ist ein verdammt träges Business“, sagt Sönke Diesener vom NABU.

Diese internationalen Regelungen gibt es

Die weltweit wichtigsten Regelungen werden in London festgelegt, von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO). In dieser Sonderorganisation der Vereinten Nationen konkurrieren die Interessen von über 170 Mitgliedstaaten. Da sind Einigungen nicht immer einfach. Hinzu kommt, dass Reedereien ihren Flaggenstaat frei auswählen können. Viele sind  in Kleinstaaten wie den Bahamas, Panama oder Bermuda registriert. Das verspricht nicht nur Steuererleichterungen und geringere Lohn- und Umweltstandards, sondern auch bessere Chancen für Lobbyismus.

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Alles dreht sich um die Schifffahrt: Skulptur vor der Londoner Zentrale der IMO.

Foto: Imago

Trotz allem aber tut sich was: Im „Internationalen Übereinkommen zur Vewarhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe“, kurz MARPOL, hat die IMO in den letzten Jahren immer strengere Grenzwerte festgelegt. Das Dokument sieht seit 2005 vor, den Schwefelgehalt von Schiffskraftstoffen stufenweise zu reduzieren: Von 4,5 Prozent vor dem 1. Januar 2012 über 3,5 Prozent ab dem 1. Januar 2012 auf 0,5 Prozent ab dem 1. Januar 2020. Durch die Absenkung des Schwefelgehalts erhofft man sich, den Ausstoß der schädlichen Stickoxide in die Luft deutlich zu verringern. Während der aktuelle Schwefel-Grenzwert von 3,5 Prozent für die Seefahrt auf allen Weltmeeren gilt, hat die IMO zusätzlich für bestimmte Meeresgebiete noch strengere Regelungen eingerichtet – die sogenannten „Emissionskontrollzonen“ (ECA).

Was ist eine ECA?

In den von der IMO ausgewiesenen „Emission Control Areas“ (ECA) müssen Schiffe besonders niedrige Schadstoff-Begrenzungen einhalten. Dazu gehören bislang die gesamte Ost- und Nordsee sowie größte Teile der nordamerikanischen Küste und die karibischen Küstengewässer rund um Puerto Rico und die Amerikanischen Jungferninseln. Die Einrichtung weiterer Zonen rund um das Mittelmeer und Japan wird bereits diskutiert.

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SECAs weltweit. Grafik: Hamburg Süd.
In den Schwefel-Kontrollzonen (SECA), zu denen alle bisher ausgewiesenen Gebiete gehören, darf der Treibstoff seit 2015 höchstens 0,1% Schwefel enthalten. Das gilt laut einer EU-Richtlinie seit 2010 auch für alle Häfen in der Europäischen Union. Umweltexperten begrüßen die Einrichtung der Schwefelkontrollzonen. Laut einer NABU-Studie konnte der Ausstoß von Schwefeloxiden durch Schiffe in diesen Gebieten bereits um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Außerhalb der SECAs hingegen darf weiterhin mit Treibstoff gefahren werden, der bis zu 3,5 Prozent Schwefel enthält. Zum Vergleich: Das entspricht dem 3.500-fachen dessen, was im Straßenverkehr zugelassen ist. Ab 2020 soll außerhalb der Kontrollzonen ein weltweiter Schwefelhöchstwert von 0,5 Prozent gelten.

Für andere Schadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide gibt es bisher deutlich weniger internationale Regelungen. Nur die Küsten Nordamerikas und der US-Karibik sind momentan als Kontrollgebiete für Stickoxidemissionen (NECA) ausgewiesen. Ab 2021 sollen dazu auch Nord- und Ostsee gehören. Dann müssen neu gebaute Schiffe den sogenannten Tier III-Standard einhalten. Dieser soll gegenüber den MARPOL-Standards von 1997 (Tier I) bis zu 80 Prozent der Stickoxide reduzieren. Weil der Ausstoß von Stickoxid nicht mit dem Treibstoff, sondern dem Verbrennungsprozess im Motor zu tun hat, hängen die geltenden Grenzwerte vom technischen Stand der Schiffsmaschinen ab. Sie liegen zwischen 2,0 und 3,4 Gramm Stickoxid pro Kilowattstunde. Das entspricht etwa einem Drittel bis Viertel der Werte außerhalb der Kontrollgebiete. Hier liegt die Begrenzung zwischen 7,7 und 14,4 Gramm Stickoxid pro Kilowattstunde.

Der Küstenforscher Volker Matthias vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht hält die Einrichtung der Emissionskontrollzonen für längst überfällig. Im Rahmen eines EU-Projektes hat er die aktuellen Schadstoffemissionen von kommerziell genutzten Schiffen in der Nordsee erhoben und verschiedene Zukunftsszenarien entworfen. Es sei damit zu rechnen, dass die von Schiffen transportierte Fracht auf der Nordsee jedes Jahr um zwei bis drei Prozent ansteige. Sein Fazit: Wenn sich weder gesetzlich noch technisch etwas ändert in der Seefahrt, könnten die Stickoxidabgase bis zum Jahr 2030 um 25 Prozent steigen.

Was passiert, wenn die Regeln nicht eingehalten werden?

Ob die MARPOL-Regelungen tatsächlich eingehalten werden, wird von den Flaggenstaaten und den Hafenstaaten kontrolliert. Werden die Grenzwerte überschritten, regelt das nationale Recht die Konsequenzen. In Deutschland sind die Hafenstaatkontrolle und die Wasserschutzpolizei für die Überwachung zuständig. Je nach Vergehen kommt es dann zu einem Ordnungswidrigkeitsverfahren oder gar einem Strafverfahren. Gibt es genügend Indizien für eine Überschreitung der Grenzwerte, kann ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro fällig werden. „Es gibt aber nur sehr wenige Fälle, in denen der Schwefelwert wirklich vorsätzlich deutlich überschritten wird“, sagt Melanie Röh vom Bundesamt für Schifffahrt und Hydrographie. In diesen Fällen ziehe das Amt zusätzlich die wirtschaftlichen Gewinne ein, die durch das Fahren mit minderwertigerem Kraftstoff entstanden seien. „Es darf keinen finanziellen Anreiz geben, die Grenzwerte zu überschreiten“, so Röh.

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