Das Geschäft mit der Lust

Kieler Nachrichten

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Sex sells, heißt es im Volksmund. Dass sich Sex nicht immer gut verkauft, hat spätestens die Insolvenz der Beate Uhse AG im Dezember 2017 gezeigt. Während der bekannteste Erotikhändler Europas derzeit versucht, wieder aus den roten Zahlen herauszukommen, steigen bei der zweiten Flensburger Sexshop-Größe, dem Orion Versand, die Umsätze stetig. Warum läuft hier das Geschäft mit der Lust besser?

Eine Stadt, zwei Erotikgrößen Während Uhse kämpft, steigen bei Orion die Umsätze

„Uhse steht für Sex wie Weck fürs Einmachen“, soll Beate Uhse mal gesagt haben. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2001 baute die Mutter aller Sex-Shops ein Erotikimperium auf, das im vergangenen Jahr mit der Insolvenzanmeldung einen Tiefpunkt seiner traditionsreichen Geschichte erreichte. Lange Zeit war der Absender von Paketen mit Dildos, Pornos oder Reizwäsche stets Flensburg. Kamen sie nicht von Uhse, dann kamen sie von Orion.

Ein Schmuddel-Image lastet dem Unternehmen heute kaum noch an, sagt Orion-Sprecherin Susanne Gahr. Sexspielzeug oder erotische Wäsche gehörten inzwischen wie selbstverständlich zum Lifestyle. Einst versteckten Männer ihren Uhse-Katalog vorsorglich zwischen den Fußballheften. Heute laufen im Fernsehen Werbespots für Vibratoren, Liebeskugeln und Fellhandschellen.

Erst seit Anfang der 80er-Jahre wird Sexspielzeug auch offen für diesen Zweck verkauft. Vorher galten Erotiktoys als anzüglich und wurden eher als medizinische oder Drogerie-Produkte getarnt. „Es gab damals sogenannte Geräte zum ,Austreiben der Hysterie der Frau‘ oder Massagestäbe, die angeblich für reine Haut sorgen sollten“, erzählt Gahr. Doch die Modelle seien zum Teil nichts anderes gewesen als Vibratoren. „Früher waren sie eher hautfarben, heute sind die Spielzeuge farbenfroher“, so Gahr. Das Angebot sei in den vergangenen Jahren explodiert. Von der Bewegung im Markt profitiert der Orion Versand, weil er viele Eigenprodukte vertreibt.

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Orion-Sprecherin Susanne Gahr

Der zweite große Erotikhändler im Norden hat seine Wurzeln ebenfalls im Hause Uhse – auch wenn der Orion Versand das nie in den Vordergrund stellte. Die Geschichte ist ein wenig so, wie bei den Gebrüdern Dassler von Puma und Adidas. Aus Halbbrüdern wurden Rivalen auf dem Markt.

1981 teilte Beate Uhse ihr Unternehmen in zwei Teile auf. Der Versandhandel ging an ihren Sohn Klaus und Stiefsohn Dirk Rotermund, die Kinos und die Ladengeschäfte blieben in ihrer Hand und der ihres zweiten Sohnes Ulrich. „Es gab damals eine Ausschlussklausel von fünf Jahren“, erzählt Orion-Sprecherin Susanne Gahr. Erst danach durfte die Schiene des jeweils anderen bedient werden.

Als Beate Uhse noch lebte, habe Dirk Rotermund sie häufig getroffen. Allein durch die emotionale Bindung zu seiner Ziehmutter waren sie sich privat noch nah. „Er ist ja bei ihr aufgewachsen“, sagt Gahr. Heute sei der Kontakt zwischen den Familien aber gering. „Man gratuliert sich noch zum Geburtstag, aber das wars.“ Es herrsche ein gesunder Abstand zwischen den Firmen. Seit 2014 führt Rotermunds Tochter Maike das Unternehmen. Neben dem Versand gliedert sich die Orion-Gruppe in die Geschäftsfelder  Großhandel und die Fachgeschäfte. Die Ladenkette wird aus dem hessischen Biebertal von Heike Susemichel geführt.

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„Wenn ein Marktbegleiter Insolvenz anmeldet,

ist das natürlich traurig für das Unternehmen

und die Mitarbeiter. Wenn es noch dazu ein

ehemaliges Flensburger Unternehmen ist, umso mehr.“

Maike Rotermund, Orion-Geschäftsführerin

Doch als die Beate Uhse AG im Dezember 2017 in Schieflage geriet, spielte Orion mit dem Gedanken einzusteigen. „Herr Rotermund war eng mit dem Unternehmen verbunden, hat dort früher selbst ausgeholfen“, so Gahr. Sieben potenzielle Käufer haben Interesse an der Beate Uhse AG angemeldet. Zurzeit hält das Unternehmen über Massedarlehen den Geschäftsbetrieb aufrecht und versucht den Konzern zu sanieren. Am 4. April segnete die Gläubigerversammlung den Insolvenzplan ab. Er sieht vor, alle werthaltigen Teile des Konzerns auf eine neue Tochtergesellschaft namens NewCo zu überführen. Mit dem Einstieg eines Investors soll der „lebensfähige Teil der Beate Uhse Gruppe und Arbeitsplätze erhalten bleiben“, teilte das Unternehmen mit.

Wie es genau um die Finanzen von Beate Uhse bestellt ist, ist schwer zu sagen. Ein Jahresabschluss für 2016 oder Zwischenberichte für 2017 liegen nicht vor. Der Vorstand hatte die Veröffentlichung mehrfach aufgeschoben und vorläufige Zahlen und Prognosen korrigiert. Laut Insolvenzplan belief sich der vorläufige Jahresumsatz 2016 auf rund 100 Millionen Euro. Die Kurve ging in den vergangenen Jahren steil nach unten. Zum Vergleich: 2007 lagen die Umsatzerlöse noch bei 268 Millionen Euro. Beim Orion-Versand sind die Umsätze dagegen in den letzten zehn Jahren fast um 50 Prozent gestiegen.


Etwas, das Orion richtig gemacht hat, war 1995 das frühe Einrichten eines eigenen Onlineshops. Heute laufen bei Orion knapp 90 Prozent der Umsätze über den Onlineversand. Den klassischen Katalog gibt es trotzdem noch – wenn auch in deutlich kleineren Auflagen als in der Vergangenheit. „Den holen sich noch einige Kunden“, sagt Sprecherin Susanne Gahr. Bestellt werde dann aber trotzdem im Netz.

Dabei mache das Geschäft mit Sextoys einen Großteil aus. Gekauft wird sowohl von Frauen als auch von Männern. „Das Verhältnis ist etwa 50 zu 50“, sagt Gahr. Das sei früher anders verteilt gewesen. Hauptzielgruppe sind laut Unternehmensangaben Kunden zwischen 30 und 49 Jahren. Die tatsächliche Kundschaft gehe aber bis ins hohe Alter.

Wenn wie vor Kurzem ein neuer Teil der „Fifty Shades of Grey“-Reihe in die Kinos komme, dann sei das zwar schon an der Nachfrage zu spüren, führe aber nicht zu großem Umsatzwachstum. „Die Leute bestellen dann eher Augenmasken oder kleine Peitschen“, sagt Gahr.

Längst sind Orion und Uhse nicht mehr die einzigen Player auf dem Markt. Die Konkurrenz durch Eis.de oder Amorelie sei im Endkundengeschäft bemerkbar, belebe aber das Geschäft. Die jungen Unternehmen seien sehr aktiv im Werbemarkt und investierten riesige Budgets – zum Beispiel in Fernsehreklame. Kein Wunder: Nach dem Ausstieg eines der Amorelie-Gründer hält ProSiebenSat.1 seit kurzem 98 Prozent an dem Berliner Unternehmen.

„Von dieser drastischen Werbung profitiert der ganze Markt“, sagt Gahr. Auf diese Weise öffne sich die Gesellschaft stärker für den Bereich. Orion selbst macht keine TV-Werbung, sondern wirbt nur in Kino und Radio.

Auch über Amazon läuft heute das Sexgeschäft. Laut einer Auswertung des E-Commerce Marktforschers Metoda macht der Internetversandriese innerhalb von zwei Wochen über 2,5 Millionen Euro Umsatz mit erotischer Ware. Insbesondere Kondome und Liebesspielzeug wandere in die Warenkörbe.

Bei Amazon ist Orion selbst mit einem Marktplatz aktiv. „Wir versuchen, in jedem Stolperstein eine Chance zu sehen und die Kanäle, die andere als Gefahr sehen, für uns zu nutzen“, sagt Gahr.

Im schwarzen Bereich Zwischen Dessous und Fetisch-Kleidung

Wer das Büro von Marion Zobel betritt, sieht auf den ersten Blick, womit sie sich beschäftigt. Neben ihrem Schreibtisch liegt auf einem Karton eine schwarze Zwangsjacke aus Lederimitat, darunter ein Ganzkörperanzug zum Schnüren. An einer Kleiderstange hängen dunkle Netzhemden neben engen Herrenunterhosen mit Reißverschluss im Schritt. Zobel ist Einkäuferin und Produktmanagerin im Bereich Wäsche. „Meiner ist der schwarze Bereich“, sagt sie. Lack, Leder, Latex.

„Der Fetischbereich ist so unendlich wie die Welt von Theaterstücken, es gibt unheimlich viele Spielbereiche“, sagt Zobel. Sie begreife sich als eine Art Requisiteur, der für die verschiedenen Rollen passende Kostüme finden muss. So wie eine braun-schwarze Hundemaske, die für das sogenannte Pet-Play vorgesehen ist, bei dem ein Partner in die Rolle eines Haustieres schlüpft.

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Eine Hundemaske für erotische Rollenspiele gehört ebenfalls zum Sortiment wie Handfesseln, Augenmasken und kleine Peitschen.

Anregungen für neue Produkte holt sie sich auf Fotoblogs oder Festivals wie der jährlichen Folsom Street Fair in San Francisco, die als größte Schau der Lederszene gilt. Die Fetischbekleidung sei relativ unabhängig von Trends. „Die Leute bleiben den Materialien wie Leder oder Latex treu“, sagt Zobel. Allerdings machten heutzutage Stoffe mit Beschichtung – wie Hosen in Lackoptik aus Polyester mit Polyurethan oder Lederimitate – die Ware günstiger. „Das macht die Produkte für die breite Masse bezahlbar und zugänglich.“

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